DAS RENNEN ZUM NÄCHSTEN BAUM

Alte Leidenschaften, neue Berufsbezeichnungen und die Suche nach dem Job, der alles vereint. Und wenn schon nicht alles, dann doch das meiste. Und wie machen das überhaupt alle anderen?

Ich weiß, für viele meiner Freunde ist es nicht immer ganz einfach nachzuvollziehen, warum ich gerade diesen oder jenen Job mache, warum die Gesetze der Branche, in der ich arbeite, so oft so anders wie in anderen Branchen sind. Ich verstehe diejenigen, die die Sicherheit bevorzugen, manchmal beneide ich sie sogar, weil ich das gerne hätte: das Gefühl des Angekommenseins, des Zufriedenseins.
Manche belasten sich aber (auch zurecht!) nicht mit dem Anspruch, mehr zu machen, mehr zu erreichen, etwas zu bewegen vielleicht sogar. Klar ist, dass mein Anspruch mich schon einige Male an den Rand der Verzweiflung gebracht hat. Nicht, weil ich nicht denke, ich könne ihm nicht gerecht werden, sondern genau darum, weil ich denke, dass ich ihm irgendwann gerecht werden kann. Und das heißt grob übersetzt: nicht aufhören nach dem zu streben und das zu suchen, was ich will. 



„Du nimmst immer den schweren Weg.“, sagte eine Freundin vor Kurzem zu mir. Um ehrlich zu sein, denke ich das nicht. Im Gegenteil, manchmal habe ich Angst, irgendwann sagen alle nur noch: kannst du nicht einmal mit etwas zufrieden sein? Aber diese Rastlosigkeit, die einen überkommt, wenn man das Gefühl hat, seine Zeit zu verplempern oder das Unverständnis, wenn der Vorgesetzte Entscheidungen trifft, denen man nicht zustimmen kann oder wenn er einem unterschwellig zu verstehen gibt, man sei zu gut informiert, zu gut vorbereitet, zu organisiert. Es sei nur ein Zeichen von Unsicherheit, wenn man sich so tief in etwas hineinarbeitet. Und selbst wenn? Ist das denn schlecht? Muss man sich denn nicht an den Ergebnissen bewerten lassen? Im Grunde werde ich diese Art von Kritik wohl nie verstehen und das ist auch gut so. Wie halten das andere aus, die nicht alle paar Monate ihren Job wechseln, weil das Projekt beendet ist oder sich (über) eine neue Berufsbezeichnung definieren können? 

Und ja, vielleicht ist dieser "freie" Weg auch der schwierigere Weg, wenn es bedeutet, das zu machen, wofür man wirklich brennt. Dann gehe ich ihn gerne und versuche an ein paar gute Wanderschuhe zu kommen.

Wenn ich vom Bäumchen-wechsel-dich-Spiel erzähle, dann klingt es manchmal auch so, als ob mich keine finanziellen Sorgen plagten – der ein oder andere wird sich seinen Teil denken. Aber dem ist nicht so. Ich schaue ganz genau auf mein Konto, auf das von mir verdiente Geld, wie lange es – wenn ich mich selbst wieder mehr einschränke – noch hält, ab wann ich mich abhängig fühlen würde, ab wann jeder Job der nächste richtige sein muss. Ganz frei und ganz unabhängig ist man ja doch nie wirklich. 



Die Arbeitseinstellung ist bei vielen, die selbstständig unterwegs sind, aber eben diese: lieber weniger Geld verdienen, dafür das oder so viel von dem machen, was ich wirklich machen möchte, womit ich mit identifizieren kann und meinem Leben einen Sinn gibt. Schlimm genug, dass das in den allermeisten Fällen Berufe und Branchen sind, in denen man mit dem Existenzminimum zu kämpfen hat, weil so viele denken, Kunst und Kultur, das geht doch auch ohne Geld, ohne Investition. Warum für ein Foto zahlen, wenn der Fotograf froh sein kann, es irgendwo in irgendeinem Magazin gedruckt zu sehen? Warum für einen Film den Tarif zahlen, wenn man ihn sich für alle Zwecke auch irgendwie illegal aus dem Internet beschaffen und die Produktion an nicht-tarifgebundene Firmen auslagern kann? Mehr dazu hier



Und dennoch: gerade eben bewegt sich wieder etwas in meiner beruflichen Welt. Ich glaube fest daran, dass all meine Entscheidungen für oder gegen ein Projekt, eine Firma, eine Position mich letztendlich zu dem führen wird, was ich weiter oben „mein Anspruch“ genannt habe. Fehlentscheidungen sind keine Fehler, sondern helfen noch klarer zu sehen: was will ich nicht? In welchem Aspekt dieser Arbeit bin ich gut? 

Aber um im Positiven zu bleiben: was will ich? Darüber möchte ich mir nach dem Projekt, an dem ich gerade arbeite noch intensiver Gedanken machen. Ich stehe in den Startlöchern, vor mir liegen große Post-Its mit den Worten „Production Coordinator“, „Film Scout“, „Irland“, „Schreiben“ und ich schiebe sie noch eine Weile hin und her bis mir die Verbindung zwischen all diesen Wörtern so klar ist, dass ich mich weiter darauf zu bewegen kann. 


Doch jetzt heißt es erst einmal Mehdi Benhadj-Djilali’s unfassbar gute Doku „Zweikämpfer“ strategisch, konzeptionell und organisatorisch in seiner Auswertung zu unterstützen. Der Film hat gerade erst den Publikumspreis des 11mm Fußball Filmfestivals in Berlin gewonnen. 

Ich renne zum nächsten freien Platz am Baum.

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